Rückblick

Ich bin jetzt 25 Jahre alt. Ich überlege mir, wie unerfahren ich doch war, als ich jünger war. Bestes Beispiel: Mit 21 Jahren. In diesem Alter wird man international erwachsen. Ich kam mir so erwachsen, klug und irgendwie besonders vor (Egozentrik kann man bei vielen Studenten beobachten). Nichts konnte mich im Leben mehr aufhalten.

Ich erinnere mich aber genau: Auch mit 21 habe ich auf mein 18. Lebensalter zurückgeblickt, also genauso wie ich jetzt von 25 auf 21 zurückblicke. Auch mit 18 Jahren hatte ich mich richtig klug gefühlt. Ich hatte schließlich den höchsten Schulabschluss erlangt, das Abitur. Es war ein unheimliches Glücksgefühl. Jemand mit Abitur muss doch irgendein Plan vom Leben haben! Wofür geht man sonst so lange zur Schule. Oder…?

Wie schön es doch beim Abitur war… Die Welt war so viel einfacher. Als man noch vom Kampf des Überlebens verschont wurde und man gut und böse trennen konnte. Als ich als „spiegel.de“-Leser über alles eine Ahnung hatte und zu jedem Thema eine klare Position beziehen konnte. Als die Auflehnung gegen das „System“ in war. Als Technik und Fortschritt das Allheilmittel für alle gesellschaftlichen Probleme war.

Naja, und hier bin ich nun. Ich habe so wenig Ahnung vom Leben wie noch nie. Ich bin mir bei nichts mehr sicher. Ich weiß nicht, was richtig oder falsch ist. Ich möchte an dieser Stelle ein paar Worte an mein zukünftiges ich hinterlassen (wahrscheinlich werde ich irgendwann auch auf dieses Jahr zurückblicken): Bleib auf dem Teppich, bilde dich stets selbstständig weiter, sei dankbar und genügsam. Hör niemals auf, deinen Körper sportlich zu belasten. Erinnere dich stets, dass du nur ein Staubkörnchen im endlosen Universum bist. Der Tod steht an der Türschwelle, handle dementsprechend.

Kayeri-Hacilar 03.08.2017

Ich bin zur Zeit in Kleinasien, genau genommen in der Stadt Hacilar, die zur Provinz Kayseri gehört. Der historische Begriff dieser Region ist „Kapadokien“. Meine Familie lebt irgendwo in der Mitte vom Berg Erciyes. Das Wetter hier ist trocken warm, was ich persönlich angenehm finde. Viel unangenehmer wäre es, wenn es dazu noch schwül wäre.

Aktuell macht hier das Thema „Wetter“ viel Gerede. Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber ich habe das Gefühl, dass dieses Thema immer an den Hoch und Tiefpunkten der lokalen Temperaturen angesprochen wird. Bis letztes Jahr hieß es, dass es „Rekordtemperaturen“ gibt. Dieses Jahr wurde das aber erstaunlicherweise bisher nicht angesprochen.

Auch ein Thema war, dass auch Deutschland allgemein sehr viel wärmer und sonniger geworden ist im Vergleich zu früher. Da meine Familie seit Jahrzehnten schon in Deutschland lebt, reden wir auch in der Türkei viel über Deutschland.

Ich bin nebenbei bemerkt die dritte Generation, die in Deutschland lebt. Als erstes kam mein Opa als Gastarbeiter. Es gibt das neumodische Wort „Wirtschaftsflüchtling“ was eigentlich alles auf den Punkt bringt. Genauso wie ich mit diesem Wort bis vor ein paar Jahren nichts anfangen konnte, werden wahrscheinlich auch die zukünftigen Menschen aus historischen Dokumenten analysieren, was das Wort überhaupt bedeutet. Um die Arbeit zu erleichtern: Es hat was mit der Flüchtlingskrise in Europa zu tun, die seit 2011 da ist und ist negativ annotiert.

Mein Opa kam um zu arbeiten und Geld zu verdienen. Ursprünglich war es wohl nur vorübergehend gedacht. Bevor er der Türkei temporär den Rücken gekehrt hat, hatte er ein Schreinerbetrieb mit 60 Mitarbeiten. Laut den Aussagen von meinem Vater, war er sogar recht erfolgreich, und mein Vater zweifelt nicht, dass er damit sehr wohlhabend geworden wäre.

Ich habe meinen Opa dieses Jahr ausgefragt, wieso er das alles aufgegeben hat und ob er es bereut. Er bereut es nicht, und laut seinen Aussagen war das Leben eine Misere. Für einen Hungerlohn hat man gearbeitet, man hat als junger Unternehmensgründer (er war 20 oder so), kein Geld oder Rohstoffe auf Kredit bekommen. Irgendwie bin ich aber dennoch Stolz auf ihn. Er ist sehr risikoaffin, eine Eigenschaft, die ich von ihm geerbt habe.

Kurz auch meinen anderen Opa ansprechen (mütterlich). Er ist Geschäftsführer eines Möbelunternehmens. Er hat tatsächlich damals auch mit dem Gedanken gespielt, nach Deutschland als Gastarbeiter einzuwandern und sein Betrieb aufzulösen, weil er schnelles Geld gerochen hat. Er hat sich aber dann doch dagegen entschieden, ist in der Türkei geblieben. Heute beschäftigt er unzählige Mitarbeiter, produziert eigene Möbel und exportiert sie sogar nach Europa. Man kann also durchaus sagen, dass ich einen wohlhabenden Opa habe. Er ist, was unternehmerische Tätigkeit anbelangt, persönlich mein großes Vorbild.

Kommen wir aber zurück zum Wetter. Es herrscht die Auffassung, dass das Wetter in Deutschland in den letzten Jahrzehnten sehr viel wärmer geworden ist. Ich teile ebenfalls diese Auffassung. Ich mache das daraus fest, dass ich früher im Winter große Schneemänner bauen konnte, wir Schneeburgen gebaut haben und große Schneeballschlachten stattgefunden haben. Heute reicht der Schnee jedoch nicht einmal für anständige Schneebälle. Es kann aber auch sein, dass sich meine Erinnerung täuscht (ich war unter 12 Jahren), und es nur zwischendurch das eine oder andere Jahr war, an dem viel geschneit hat.